Kinder- und Jugendbuchpreis Luchs 346: Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol
Der Kinder- und Jugendbuchpreis Luchs geht im November an ein Buch über die Lebensgeschichte des wohl berühmtesten Pop Art-Künstlers Andy Warhol. Anja Robert aus der Luchs-Jury stellt uns "Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol" von Maren Gottschalk vor.
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Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol, Maren Gottschalk, Beltz Verlag, 18,95 €
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Warum ausgerechnet "Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol"? Andy Warhol ist doch schon so bekannt und so lange tot?
Weil Andy Warhol einfach ein sehr interessanter Mensch war. Er war ja nicht nur Künstler, sondern auch Filmemacher, Partyfreak, Millionär, weltberühmt, aber superschüchtern, und generell ziemlich durchgeknallt.
Wie meinst du das, durchgeknallt?
Das ist in diesem Fall anerkennend gemeint. Das fing schon an mit seinem Aussehen. Heute würde da ja kein Hahn mehr danach krähen, aber in den Fünfzigern lief garantiert kein Mann mit lackierten Fingernägeln, zwei verschiedenen Schuhen, der sich auch noch die Haare silbern färbte herum. Und er sah nicht nur crazy aus, genauso durchgeknallt genial waren auch seine künstlerischen Arbeiten. Er hat beispielsweise 1962 die Etiketten aller 32 Dosensuppensorten der Firma Campbell von Hühnersuppe bis Tomatensuppe auf Leinwand gebracht.
Was ist daran eigentlich genial - da stehen ja viele davor und sagen, ein Suppendosenetikett abmalen, das kann ich auch!
Das hat Andy Warhol genauso gesagt. Das können eigentlich alle. Deswegen streiten sich die Leute bis heute über seine künstlerische Arbeit: Ist das jetzt ein besonders raffinierter Kommentar zu unserer Industrie- und Wegwerfgesellschaft, so nach dem Motto: Im Kapitalismus ist auch Kunst nur eine Ware oder sind die Suppendosen-Bilder einfach nur flach und Kopien? Dass man das nie ganz ausloten kann, diese Mehrdeutigkeit - genau das ist das Geniale an Andy Warhol.
Also ein raffinierter Bursche - war er so gewitzt auch im Privatleben?
Auch hier war er ziemlich durchgeknallt auf eigenartige Art und Weise. Er führte ein exzentrisches und glamouröses Leben von außen betrachtet. Er arbeitete ja in einem großen Loft in New York, der "Factory" – daher der Buchtitel - mit Stars wie den Stones oder Velvet Underground, es gab Partys und noch mehr Drogen, Warhol immer im Mittelpunkt. Gleichzeitig war dieses Party Animal unglaublich empfindsam und ein durch und durch schüchterner Mensch. Damit trieb er übrigens auch viele Interviewer in die Verzweiflung.
Wie kann das sein, dass jemand so Berühmtes so unsicher ist?
Hat wohl viel – Überraschung! – mit seiner Kindheit zu tun. Er hatte einen brutalen Vater und es hat wohl auch mit seiner Herkunft zu tun. Geboren ist er nämlich als Andrzej Warhola. Seine Eltern sind aus einem kleinen Kaff an der slowakisch-russischen Grenze eingewandert, Englisch hat er erst in der Schule gelernt und dass er schwul war, hat damals in den Sechzigern die Sache bestimmt auch nicht leichter gemacht.
Warhol wohl ein spannender Typ, ist das Buch auch so spannend?
Auf jeden Fall! Ich persönlich dachte bisher auch, Warhol wäre ein durchgeknallter Spinner, dessen künstlerisches Werk überschätzt wird, aber nach dem Lesen dieser Biografie bin ich völlig anderer Meinung. Er hat zum Beispiel schon 1968 prophezeit, dass in Zukunft jeder Mensch für 15 Minuten berühmt sein kann und jetzt im Internet-Zeitalter ist es definitv soweit. Ein Meister der Selbstinszenierung, eine sehr gut lesbare Lebensgeschichte, die zeigt, wie ein Mensch seine Macken und wirklich großen Neurosen produktiv nutzen kann.
Die Autorin
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Maren Gottschalk
Maren Gottschalk wurde 1962 in Leverkusen geboren, nach dem Abitur studierte sie in München Geschichte und Politik. Während der Promotion in Mittelalterlicher Geschichte entschied sie sich dafür, nicht nur zu forschen, sondern ihre Begeisterung für Geschichte auch weiterzugeben. Sie zog zurück ins Rheinland und begann, für den Westdeutschen Rundfunk zu arbeiten. Seit 14 Jahren schreibt und spricht sie dort Radiosendungen über Geschichte, Kultur und Wissenschaft. Für die Sendung WDR-Zeitzeichen verwandelt sie historische Fakten in lebendige Geschichten, egal, ob es um berühmte Persönlichkeiten oder namenlose Dienstmädchen geht. Diese Fähigkeit setzt sie auch bei Ihrer schriftstellerischen Arbeit ein.
Stand: 19.11.2015, 15.20 Uhr
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