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NRW-Innenminister Herbert Reul spricht in der Landespressekonferenz über den Verfassungsschutzbericht 2019

Verfassungsschutz warnt vor verdecktem Extremismus

Stand: 08.04.2022, 14:32 Uhr

Der Verfassungsschutz in NRW stellt sich in Teilen neu auf - auch begrifflich: Er will nun rein in die "Echokammern" des Internets und warnt vor "Deckmantel-Extremismus" und "360-Grad-Bedrohung".

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Neue Zeiten erfordern offenbar nicht nur neue Strukturen, sondern auch neue Begriffe: So warnte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2021 vor "Deckmantel-Extremismus".

Gemeint sind damit etwa Rechtsextremisten, die als Hochwasserhelfer oder Corona-Protestler auftreten, Salafisten, die Spenden für Notleidende sammeln oder Linksextremisten, die die Klimaschutzbewegung unterwandern. "Dieser Deckmantel-Extremismus von allen Seiten bedroht die gesellschaftliche Mitte und ist eine Herausforderung für den Verfassungsschutz", so der Innenminister.

"Telegram" stärker im Visier der Behörden

Auch an die "Echokammern" des Internets werden sich Leser des Verfassungsschutzberichtes gewöhnen müssen. Gemeint sind etwa Foren oder Chatgruppen, in denen sich die Teilnehmer gegenseitig in ihrem Hass bestätigen. Um hier schneller Tendenzen erkennen zu können, will der Verfassungsschutz in den kommenden Monaten ein neues Referat einrichten, in dem dann etwa gezielt "Telegram"-Chats oder auch einzelne Extremisten beobachtet werden. "Unsere Verfassungsschützer gehen dabei auf gezielte Spurensuche in den sozialen Netzwerken und suchen dort nach konkreten Hinweisen auf verfassungsfeindliches Verhalten", führte Reul aus.

Corona-Proteste dominierten das Jahr 2021

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine registriert der Verfassungsschutz vermehrt Vorkommnisse in den Bereichen Spionage, Sabotage und Desinformation. "Wir haben es mehr mit einer 360-Grad-Bedrohung zu tun", so Reul - also einer Bedrohung von allen Seiten. Dies spiegelt sich jedoch noch nicht im Verfassungsschutzbericht des vergangenen Jahres wider.

2021 dominierten laut Reul vor allem noch die Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Der Verfassungsschutz zählte im vergangenen Jahr rund 2.000 Versammlungen mit Corona-Bezug, an denen rund 150.000 Personen teilnahmen. "Je mehr Demos es gab, desto öfter versuchten Akteure der Querdenken-Bewegung, die gesellschaftliche Mitte für ihre extremistischen Weltbilder zu gewinnen", so Reul.

Sonderbericht zu "Delegitimierern"

Mit dem Abklingen der Corona-Proteste werde sich die Szene "ein neues Vehikel" suchen, so Reul. "Das können die aktuell hohen Spritpreise sein oder die bevorstehende Landtagswahl." Dabei bleibt das Ziel laut Verfassungsschutz gleich: Durch Desinformationen und Verschwörungsmythen soll das System und damit der Staat infrage gestellt werden. Dieser so genannten "demokratiefeindlichen Delegitimierung des Staates" hatte der Verfassungsschutz schon für das Jahr 2020 einen eigenen Sonderbericht gewidmet, der nun fortgeschrieben wurde.

Reul sieht große Gefahr durch Islamismus

Während die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten laut Verfassungsschutz unverändert bei 2.000 Personen liegt, ist die Zahl der Rechtsextremisten insgesamt leicht zurückgegangen. Auch die Zahl der Linksextremisten hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht geändert. Gestiegen ist hingegen die Zahl der Islamisten, wenn auch nur leicht. Die Zahl der Gefährder wird mit 190 angegeben. Für Reul ist klar: "Wir sind weiter im Fadenkreuz des islamistischen Terrors."

20202021
Rechtsextremisten3.9403.875
davon gewaltorientiert2.0002.000
politisch motivierte Straftaten3.3893.135
Linksextremisten2.5702.570
davon gewaltorientiert1.0201.020
politisch motivierte Straftaten1.4301.207
Islamisten4.4704.610
davon gewaltorientiert780770
politisch motivierte Straftaten3459